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Wir riechen besser als wir denkenOverlay E-Book Reader

Wir riechen besser als wir denken

Wie der Geruchssinn Erinnerungen prägt, Krankheiten vorhersagt und unser Liebesleben steuert | Johannes Frasnelli

E-Book (EPUB)
2019 Molden Verlag
176 Seiten
ISBN: 978-3-99040-520-8

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€ 18,99

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Kurztext / Annotation

Unter den fünf Sinnen ist der Geruchssinn am meisten unterschätzt.

Dabei hat er den größten Einfluss auf unsere Emotionen und steuert unser Verhalten mehr als wir vermuten. Der Neurowissenschaftler und Geruchsforscher Johannes Frasnelli erklärt uns, warum wir viel besser riechen als wir denken und was die neuesten Erkenntnisse der Geruchsforschung mit unserem Alltagsleben zu tun haben.

Etwa, warum wir jemanden im wahrsten Sinne des Wortes gut riechen können, was Riechtraining mit unserem Gehirn macht, wie Ängste und Depressionen unser Riechvermögen verändern und was der Verlust des Geruchssinns mit Alzheimer zu tun hat.

Mit konkreten Tipps zur Riechschulung und einem Test: Wie gut riechen Sie wirklich? Den Schnelltest gibt es auch online auf der Homepage des Verlags.



Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

1. VON DER PRAXIS ZUR THEORIE: WIE ICH ZUR RIECHFORSCHUNG KAM

In diesem Kapitel erfahren Sie,

...wie mich Gerüche seit der Kindheit begleiten,

...wie ich über den Wein zur Geruchsforschung kam,

...wie mich Gerüche in die weite Welt lockten.

DÜFTE DER KINDHEIT

Seit früher Kindheit haben mich Gerüche geprägt. Ich wuchs in Meran in Südtirol auf und jeder Monat hatte einen besonderen Geruch, seinen "Leitduft". Der Januar roch nach Schnee, mit grauem Himmel und weißen Bergen. Im Februar begann schon der Frühling und die ersten Blüten der Chinesischen Winterblüte dufteten noch lange bevor Blätter auf den Bäumen waren. Der Fasching schmeckte nach Marillenmarmelade in den Faschingskrapfen und stank nach dem Schwefel der Schweizerkracher. Die Fastenzeit roch am Freitag nach gebackenen Fischen und im März blühten Kirschen- und Marillenbäume und verströmten ihren Duft. Im April gab es eine Geruchsexplosion, wenn die Apfelplantagen, die das Etschtal beherrschen, gleichzeitig blühten, wenn der feine Geruch der Apfelblüte allgegenwärtig war. Ostern roch nach Weihrauch, aber auch nach Spargel, Schinken und Kren, nach Erdbeeren. Im Mai öffneten die Eisdielen und die Rosen begannen zu blühen, die Bauern sprühten Spritzmittel auf die Apfelwiesen. Im Juni duftete es nach Kirschen und nach gemähtem Gras, im Juli nach Sonnencreme und Chlor, nach Sommergewittern und immer wieder nach Eis mit Sahne. Der August roch nach Sommerfrische am Berg, nach Fichtennadeln, Heidelbeerwiesen, Alpenrosen, Kuhmist, Baumharz und nach Mückenmitteln. Der September schnupperte nach Äpfeln, nach Trauben, nach Walnüssen, nach den Dieselabgasen der Traktoren. Im Oktober stieg mir der Duft der gerösteten Kastanien, des Lagerfeuers, Susser (neuer Wein), der Würste, des Sauerkrauts und der Feigen in die Nase. Im November machten modrige Blätter und Feuchte die Nase rümpfen, bevor einem im Dezember der Duft von Vanille, Zimt, Gewürznelken und Glühwein in die Nase stieg, vermischt mit Kerzenrauch.

Doch auch Orte hatten einen bestimmten Geruch. Das Elternhaus roch nach Essen, jeden Mittag, jeden Abend. Das Haus meiner Großmutter duftete nach Kernseife, die Schule nach Büchern und Putzmitteln, die Kirche nach Weihrauch. Die Garage roch nach Benzin und Gummi, der Fußballplatz nach Gras. Im Krankenhaus, in dem meine Brüder und ich regelmäßig verarztet wurden, stank es nach Desinfektionsmitteln, beim Zahnarzt lag ein Hauch von Gewürznelke in der Luft. Bei der alten Nachbarin waberte eine Wolke aus Kölnisch Wasser durch die Wohnung und bei meiner Tante duftete es nach Früchtetee und Keksen. Der Eislaufplatz roch nach Zigaretten, Glühwein und Hotdogs, der Bahnhof nach Eisenbahn.

Auch Menschen hatten bestimmte Gerüche. Die andere Großmutter duftete nach Handcreme und Rose, die Freundin meiner Mutter nach "Paris" von Yves Saint Laurent. Die Bauern rochen nach Arbeit und irgendwann begannen die Schulfreunde Schweißgeruch zu verströmen. Ich wusste, wenn mein Vater zu Hause war, weil es nach Giorgio Armanis Aftershave roch. Sonntags rochen die Erwachsenen nach Wein. Ich liebte es, wenn sich mein Großvater eine Zigarette anzündete und ich den ersten Geruchsschwall wahrnahm, eine Mischung aus Tabak und Schwefelhölzern. Nur dieser erste Dufteindruck zog mich an, denn danach stank der Rauch. Die Klavierlehrerin roch nach Zwiebeln und der Mesner nach altem Mann.

In dieser Umgebung wuchs ich auf, immer waren da Gerüche. Meistens nahm ich sie gar nicht bewusst wahr, sie waren mehr eine Unterlage, ein Hintergrund, als tatsächliche Sinneseindrücke. Manchmal aber waren die Gerüche sehr präsent, standen im Vordergrund.

EINE NASE VOLLER ERINNERUNGEN

Als ich fünf Jahre alt war, hatte mein kleiner Bruder einen Unfall. Er stürzte vom Balkon im ersten Stock auf den Betonb