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Das Kind in mir ist immer daOverlay E-Book Reader

Das Kind in mir ist immer da

Mein Leben für die Gleichwürdigkeit | Jesper Juul

E-Book (EPUB)
2018 Beltz
205 Seiten
ISBN: 978-3-407-86522-9

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Kurztext / Annotation
Nicht perfekt sein müssen, um Kinder dennoch gut zu erziehen - das ist Jesper Juuls Botschaft. Hunderttausenden Eltern vom Nordkap bis Sizilien hat er damit den Alltag erleichtert. Die Anerkennung der Würde jedes Einzelnen in der Familie ist für Juul die Basis für ein gutes Zusammenleben. In diesem Buch erzählt er zum ersten Mal von seiner eigenen Kindheit und seinem außergewöhnlichen Leben zwischen tiefen Brüchen und großen Erfolgen. Juuls Autobiografie wirft ein neues Licht auf den Mann, der mit dänischer Geradlinigkeit und einem großen Einfühlungsvermögen in Familien zum innovativsten Erziehungsexperten Europas wurde.

Jesper Juul (1948-2019) war einer der bedeutendsten und innovativsten Familientherapeuten Europas. Über 40 Jahre lang arbeitete der Däne mit Familien; seine Bücher sind Bestseller und wurden in viele Sprachen übersetzt. Sein »gelassener Optimismus« (Der Spiegel) wurde zu seinem Markenzeichen. Er gründete das familylab, das mit Elternkursen und Schulungen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und 24 weiteren Ländern in Europa und Übersee aktiv ist.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Meine Mutter

Am 18. April 1948 wurde ich in Vordingborg, einem kleinen Küstenstädtchen im Süden Seelands, im Nachkriegsdänemark geboren. Das Land war damit beschäftigt, sich von fünf schrecklichen Jahren deutscher Besatzung zu erholen, vom Anblick exekutierter Nazi-Kollaborateure, wir Familien lebten noch von Essensmarken. Meine Eltern stammten aus kleinbürgerlichen Verhältnissen, mein Großvater väterlicherseits war selbstständiger Maler und Anstreicher, der Vater meiner Mutter selbstständiger Sattler. Meine Eltern lernten sich über eine Partneranzeige kennen, was damals auf dem Land nicht unüblich war. Beide waren sie die jüngsten von vier Geschwistern. Meine Geburt verlief ohne besondere Vorkommnisse - für meine Mutter aber war sie ein herausragendes Ereignis: Sie bedeutete die Erfüllung eines lebenslangen Traumes.

Meine Mutter entpuppte sich von Beginn meiner Kindheit an als sehr besitzergreifend: Ich war ihr Junge, ich war ihr kleiner Mann. Den Geschichten, die man mir später erzählt hat, entnehme ich, dass ich von meinem ersten Tag an gegen diese Rolle protestiert habe. Ihre Reaktion auf meinen Protest war, noch hartnäckiger um meine Liebe und Anerkennung zu kämpfen. Ihr Leben lang. Das war krankhaft. Heute ist sie 96, hat Alzheimer und ist sehr glücklich. Sie lebt in Ebeltoft, wohin wir neun Jahre nach meiner Geburt gezogen sind.

Meinem Vater wiederum schenkte sie, soweit ich zurückdenken kann, so gut wie keine Beachtung. Und er forderte nichts ein. Als ich dreieinhalb Jahre alt war, kam er eines Tages von der Arbeit nach Hause und nahm meine Mutter mit in ihr gemeinsames Schlafzimmer im oberen Stockwerk der Wohnung. Mir wurde gesagt, ich solle unten bleiben und mit meinem kleinen Bruder spielen. Doch wie gewöhnlich gehorchte ich nicht. Ich ging die Treppen hoch, und während ich vor der Schlafzimmertür stand, hörte ich meinen Vater sagen, dass er sich in eine andere Frau verliebt habe und sich von meiner Mutter scheiden lassen wolle. Dagegen protestierte meine Mutter, wobei es ihr wohl gar nicht so sehr um ihn und das gemeinsame Eheleben ging, sie brachte vor allem uns Kinder ins Spiel: Wegen uns dürfe er sie nicht verlassen. Mit diesem einen Argument hämmerte sie auf ihn ein. Ich spürte es schon damals: Gleich würde er aufgeben, denn das tat er immer. Was ich in diesem Augenblick genau gedacht habe, daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Aber ich bin rasch die Treppen hinuntergelaufen und dabei gestürzt - die Bescherung war eine große, blutende Kopfwunde. Meine Eltern kamen aus dem Schlafzimmer heraus, und ich hörte meine Mutter sagen: »Siehst du, wie er dich braucht!«

Meine Mutter; leider besitze ich kein Foto meines Vaters.

Meine Mutter und ich.

Mein Bruder

Auch meine Beziehung zu meinem jüngeren Bruder Peter hat unter meiner Mutter gelitten. Meine Mutter zerstörte sie, falls sie überhaupt jemals existiert hatte. Ich war für meine Mutter immer die Nummer eins. Weil sie mich wollte, aber nie bekam. Peter, 1951 geboren, war immer die Nummer zwei, und das hat er deutlich gespürt. Für mich war es hilfreich, dass ich eine Distanz zu meiner Mutter herstellte, mich von ihr stark separierte.

Wie üblich, reagierten wir Geschwister unterschiedlich. Wir beide »kooperierten«, ich, indem ich mich »schwierig« verhielt, und mein Bruder, indem er ihr das gab, was sie erwartete, und gehorchte. Unser beider Verhalten würde sich in unseren späteren Beziehungen zu Frauen als hinderlich erweisen. Während ich Nähe mied, wurde mein Bruder schnell abhängig und war stets bemüht, andere zufriedenzustellen. Schließlich gelang es uns beiden, ein gesünderes Gleichgewicht zu finden - aber leicht war es nie. Aus heutiger Sicht betrachtet, könnte dies der Beginn meines lebenslangen Interesses für den Konflikt zwischen persönlicher Integ