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Im Sog der SchuldOverlay E-Book Reader

Im Sog der Schuld

Roman | Laura McHugh

E-Book (EPUB)
2019 Limes Verlag; Spiegel & Grau, New York 2016
384 Seiten
ISBN: 978-3-641-21687-0

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Kurztext / Annotation
Die Vergangenheit ruht nie ...
Nach 17 Jahren kehrt Arden in ihre Heimat zurück, um ihr Erbe anzutreten - die alte Villa Arrowood. Dabei hatte sich die junge Frau geschworen, nie wieder einen Fuß in dieses unheimliche Haus zu setzen. Denn seit ihre beiden Schwestern 1994 auf mysteriöse Weise verschwunden sind, ist Arrowood zum Sinnbild ihrer tief sitzenden Schuld geworden - der Schuld, als Babysitterin versagt und dadurch ihre Familie zerstört zu haben. Während Arden versucht, ihr Elternhaus wohnlich zu machen und sich so ihrer Vergangenheit zu stellen, merkt sie, dass das alte Gemäuer mehr als nur ein Geheimnis birgt und dass die Wahrheit über das Schicksal ihrer Schwestern schrecklicher ist, als vermutet.

Laura McHugh wuchs als jüngstes von acht Kindern in Iowa und Missouri auf. Sie besitzt einen Masterabschluss in Bibliothekswissenschaft, hat als Bibliothekarin und Softwareentwicklerin gearbeitet und bereits mehrere Kurzgeschichten veröffentlicht. In ihrer Freizeit näht sie gerne, sie ist begeisterte Hobbygärtnerin und mag Zombiefilme. Laura McHugh lebt mit ihrem Mann, den gemeinsamen Töchtern und ihrem Hund in Columbia, Missouri. Die Schwere des Blutes ist ihr erster Roman.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Kapitel 1

Früher habe ich immer gespielt, jemand hätte mich an einem merkwürdigen unbekannten Ort ausgesetzt, und ich müsste allein wieder nach Hause finden. Es gab mehrere Varianten des Spiels, aber alle mit einer Gemeinsamkeit: Ich war in irgendeiner Weise eingeschränkt - entweder gefesselt oder stumm, oder mir fehlte ein Arm oder ein Bein. Allerdings war ich stets überzeugt, dass ich den Weg notfalls auch blind finden würde wie ein Hund, der mithilfe eines geheimnisvollen Instinkts dorthin zurückkehrt, wohin sein Herz gehört ... zu seinem Herrchen, auch wenn es Tausende Meilen weit weg ist. Manchmal hielt ich in einer der Städte, in die es mich nach unserem Wegzug aus Keokuk verschlagen hatte, einen kurzen Moment inne - in der Schule, in meinem Zimmer oder mitten auf der Straße - und richtete mich innerlich auf Arrowood aus, auf den Mississippi, auf zu Hause. Dort ist es, dachte ich dann. Ich wusste es einfach. Drehte mich reflexartig in die richtige Richtung, wie eine Kompassnadel, die immer nach Norden zeigt.

Als ich nun in der drückenden Hitze durch die weitläufigen Ackerlandschaften von Kansas und Nordmissouri fuhr, vorbei an den endlosen Weizen- und Maisfeldern, spürte ich förmlich, wie mich die Straße nach Iowa zog, als würde ich unweigerlich dort enden, ganz egal, welche Richtung ich einschlug. Ich kniff die Augen gegen die grelle Sonne zusammen; meine Sonnenbrille musste irgendwo zwischen meinen hastig zusammengepackten Taschen und Kartons verschüttgegangen sein, die ich in meinen alten Nissan gestapelt hatte. Es war Ende September, in der Luft lag noch die typische Stickigkeit des Mittleren Westens, ganz anders als die kühle Herbstsonne Colorados, wo sich gerade die Blätter an den Espen zu verfärben begonnen hatten.

Ich befand mich in der Endphase meines Masterabschlusses, als meine Mutter, die vor nicht allzu langer Zeit wieder geheiratet hatte, mich im Februar anrief, um mir mitzuteilen, dass Eddie, mein leiblicher Vater, beim Blackjack im Mark-Twain-Casino in LaGrange tot umgefallen sei. In den Monaten vor seinem Tod hatte ich nichts von ihm gehört, und unsere letzte Begegnung lag mehr als ein Jahr zurück, deshalb fiel es mir schwer zu sagen, welche Gefühle die Nachricht in mir auslöste. Im Grunde hatte ich ihn bereits vor langer Zeit verloren, damals, als meine beiden Schwestern verschwunden waren, und während meine Trauer über diesen ersten Verlust über Jahre hinweg anhielt, empfand ich nun allenfalls eine eigentümliche Betäubung.

Trotzdem heulte ich wie ein Klageweib beim Trauergottesdienst, der in Illinois stattfand, wo er zuletzt gelebt hatte. Die Trauergäste, hauptsächlich Mitglieder der katholischen Kirchengemeinde, der er erst kurz zuvor beigetreten war, hatten ihn hingegen fast gar nicht gekannt. Ich konnte es nicht ausstehen, dass Beerdigungen unweigerlich jeden noch so kleinen Funken Trauer in mir heraufbeschworen, zu dem ich fähig war - Trauer um Verstorbene oder Gott weiß was sonst noch alles -, und sich jede Strophe von »Amazing Grace« wie ein Dolch in mein Herz bohrte, mein Inneres förmlich aufschlitzte. Der Pfarrer trug einen Umhang über seiner Soutane, der sich melodramatisch aufbauschte und den Blick auf das blutrote Futter freigab, wann immer er die Arme hob. Er schwadronierte darüber, wie viel wir mit den Toten gemeinsam hätten: Jeder von uns hätte seine Träume, Fertigkeiten und Talente, wir alle würden so manches bereuen, hätten Menschen um uns, die wir liebten und die wir enttäuschten, und irgendwann gelange jeder von uns an den Punkt, an dem alles Irdische seine Bedeutung verlöre und unser Leben von einer Sekunde auf die andere ewiger Finsternis oder - sofern man daran glaubte - strahlendem Licht weiche. Manchmal komme der Tod zu früh, manchmal nicht früh genug, und für einige Sünder komme er zu dem Zeitpunkt, den sie selbst gewählt hatten.

Violet und Tabitha wurden nicht erwähnt, als der Pfarrer