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Das Handbuch der Inquisitoren

Roman | António Lobo Antunes

E-Book (EPUB)
2018 Luchterhand Literaturverlag; Dom Quixote, Lissabon 1996
464 Seiten
ISBN: 978-3-641-24227-5

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Kurztext / Annotation
Ein grandioses Sittengemälde Portugals zwischen Diktatur und Sozialismus
Ein portugiesisches Landgut wird zum Welttheater: Einst herrschte hier der gefürchtete Großgrundbesitzer, rechte Hand des Diktators, von allen nur 'Herr Doktor' genannt. Nun blättert die Farbe ab, die Felder liegen brach, und der wütende Alte, inzwischen macht- und zahnlos, wettert gegen die neue Zeit. Während er im Gewächshaus konspirativ Regierungsposten verteilt und die Raben als Kommunisten beschimpft, kommen nach und nach alle, die er belogen, betrogen, gequält und geschändet hat, zu Wort.

António Lobo Antunes wurde 1942 in Lissabon geboren. Er studierte Medizin, war während des Kolonialkrieges 27 Monate lang Militärarzt in Angola und arbeitete danach als Psychiater in einem Lissabonner Krankenhaus. Heute lebt er als Schriftsteller in seiner Heimatstadt. Lobo Antunes zählt zu den wichtigsten Autoren der europäischen Gegenwartsliteratur. In seinem Werk, das mittlerweile mehr als dreißig Titel umfasst und in vierzig Sprachen übersetzt worden ist, setzt er sich intensiv und kritisch mit der portugiesischen Gesellschaft auseinander. Er erhielt zahlreiche Preise, darunter den »Großen Romanpreis des Portugiesischen Schriftstellerverbandes«, den »Jerusalem-Preis für die Freiheit des Individuums in der Gesellschaft« und den Camões-Preis.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Bericht

Und als ich in Lissabon das Gericht betrat, dachte ich an das Landgut. Nicht an das Landgut von heute mit den zerbrochenen Statuen im Garten, dem leeren Schwimmbecken, dem Gras, das die Hundezwinger allmählich überwucherte und die Beete zerstört hatte, nicht an das große Haus ohne Dachpfannen, in dem es auf das Piano mit dem signierten Foto der Königin regnete, an den Tisch mit dem Schachspiel, dem ein paar Figuren fehlten, an die Risse im Teppichboden und an das Aluminiumbett, das ich in der Küche gleich neben dem Herd aufgebaut hatte für einen Schlaf, der die ganze Nacht lang vom Gelächter der Raben zermartert wurde

als ich in Lissabon das Gericht betrat, dachte ich nicht an das Landgut von heute, sondern an das Haus und das dazugehörende Land zur Zeit meines Vaters, als Setúbal

(eine Stadt so unbedeutend wie ein Dorf in der Provinz, wo in flimmrigem, von der Verzweiflung der Hunde zerfetztem Dunkel Lichter um den Musikpavillon tanzen)

noch nicht bis zum Gartentor und den Trauerweiden an der Mauer gewuchert war und sich mit Fischkuttern und Tavernen in den Fluß hinein drängte, Setúbal, wohin mich die Haushälterin sonntags morgens zum Einkaufen mitnahm und mich am Ellenbogen unter dem Getümmel der Tauben hinter sich herzog an das Haus und das dazugehörende Land zur Zeit meines Vaters mit dem von Granitengeln und an der Mauer entlangwachsenden Hyazinthen gesäumten Treppenaufgang, an das aufgeregte Hin und Her der Dienstmädchen auf den Korridoren, die genauso aufgeregt hin und her liefen wie die Leute in der Eingangshalle des Gerichts

(es war Juli, und die Bäume der Rua Marquês da Fronteira krümmten sich in der Sonne gegen die Fassaden)

die sich in Trauben vor den Fahrstühlen in ängstlicher Hast zusammenballten und auflösten, und da packte mich mein Anwalt inmitten von Zeugen und Angeklagten und Gerichtsdienern am Pullover und wies auf die Treppe

- Hier entlang Herr Ingenieur Scheidungen sind hier entlang

und ich erinnerte mich, dem Gericht gegenüber gleichgültig, ihm gegenüber gleichgültig, an jenen fernen Juli in Palmela

(ich mußte fünfzehn oder sechzehn Jahre alt gewesen sein, denn neben den Buchen wurde gerade die neue Garage gebaut, der Traktor kreiste hinter dem Gemüsegarten, und die eisernen Schaufeln des Windrades quietschten in der Hitze)

an dem ich Flüstern und Schritte und Murmeln in der Kapelle gehört habe, und es waren nicht die Hühner, es waren nicht die Tauben, es waren nicht die Elstern, es waren Leute, vielleicht die Zigeuner aus Azeitão, die gerade die Heilige und die Leuchter aus vergoldetem Schnitzwerk stahlen

(Frauen in schwarzen Röcken, Männer, die in das Feuer unter den Kaffeekannen bliesen, tieftraurige magere Maultiere)

und ich nahm einen der Spazierstöcke aus der Tonvase am Eingang und trabte durch das Eßzimmer

- Hier entlang Herr Ingenieur die Scheidungen sind hier entlang

mit dem Lüster, der Glasschatten auf das Tischtuch tropfte, sprang über das Strelizienbeet, sprang über die Petunien, die Tür der Kapelle stand offen, die Kerzen zitterten in den Bögen, und ich traf nicht auf die Zigeuner aus Azeitão

(Frauen in schwarzen Röcken, Männer, die in das Feuer unter den Kaffeekannen bliesen, tieftraurige magere Maultiere)

ich traf auf die Köchin, die rücklings auf dem Altar lag, die Kleidung durcheinandergebracht und die Schürze am Hals, und auf meinen scharlachroten Vater, der sie, das Zigarillo im Mund und den Hut in den Nacken geschoben, bei den Hüften hielt und mich weder verwundert noch ärgerlich anblickte, und am selben Sonntag, nachdem er dem Latein des Paters in Anwesenheit des Hausmeisters, der Haushälterin, der Dienstmädchen schreiend geantwortet hatte, rief mich mein Vater, der sich während der Kommunion Zigarillos ansteckte

(der Wind bewegte die trockenen Dahlien und die Eukalyptusbäume im Sumpf, die mit dem Atmen des Schlammes größer o