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Endlich zu fünftOverlay E-Book Reader

Endlich zu fünft

Roman einer fast perfekten Familie | Miina Supinen

E-Book (EPUB)
2016 Insel Verlag
Auflage: 1. Auflage
358 Seiten
ISBN: 978-3-458-74306-4

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Kurztext / Annotation
Eine Familie wie aus dem Bilderbuch. Wäre da nicht ... Vater Launo ist Dirigent und Komponist. Mutter Katrina perfektioniert als Innenarchitektin die Häuser der Reichen. Auch ihre Familie könnte perfekt sein, wenn die 22-jährige Tochter nicht auf dem Selbstfindungstrip wäre und ungeniert ihre Sexualität ausprobieren müsste, inklusive Bondage und anderer Spielchen. Wenn sich der 18-jährige Sohn nicht in den Kopf gesetzt hätte, seinen pummeligen Körper durch Bodybuilding und gefährliche Substanzen zu trimmen. Zum Glück gibt es da noch die 4-jährige Pelagia, Nesthäkchen und Sonnenschein der Familie, die aber weder Vater noch Mutter ähnlich sieht. Was ist damals passiert bei dem Tauchlehrgang am Roten Meer? Und was will dieser Tauchlehrer, der an Launos fünfzigstem Geburtstag plötzlich zwischen den Gästen steht? Bald weiß die halbe Stadt, dass auch bei den Silolas nicht alles perfekt ist, und die Silolas begreifen, dass Glück und Harmonie nicht von Perfektion abhängt ...

Miina Supinen, geboren 1976, lebt in Helsinki. Die studierte Journalistin schreibt u. a. Kolumnen für die finnische Trendzeitschrift Image. 2014 erschien ihr Roman Drei ist keiner zu viel (st 4551).



Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

5_DARF MAN DAS TIGERKOSTÜM HABEN?

Pelagia war ein süßer Fratz, aber manchmal anstrengend. Man könnte vermuten, es hätte sie aus der Bahn geworfen, ihre Mutter betrunken zu sehen. Aber was immer auch der Grund gewesen sein mag, am nächsten Tag benahm sie sich auf eine für ihr Alter typische Art daneben. Sie pinkelte auf den Fußboden.

Zu Hause pinkelte Pelagia nie auf den Fußboden. Obwohl sie noch so klein war, besaß sie ein Gespür dafür, dass ihr Zuhause angenehm stilvoll mit guten Materialien eingerichtet war. Der Kindergarten stellte hingegen ein diffuses Niemandsland dar, wo Vandalismus nicht belastete. Darum pinkelte sie dort, sooft sie konnte, in die Hose. Dann mussten die Kindergärtnerinnen für Pelagia trockene Kleider aus dem Vorrat für alle holen. Beim ersten Mal schien sich alles zum Guten zu wenden: Pelagia bekam einen wehenden Rock, der ihr gefiel, und sie rannte los und spielte den sorglosen Schmetterling. Aber beim zweiten Mal waren keine Mädchenkleider mehr da, und man versuchte, Pelagia eine braune Hose anzuziehen. Davon bekam sie einen Schreianfall und, nachdem man sie gezwungen hatte, die Hose anzuziehen, einen Schmollanfall, der überhaupt nicht mehr aufhören wollte. Beim dritten Mal waren die Kindergärtnerinnen bereits wütend und mussten Pelagia das Tigerkostüm aus dem Theaterfundus geben. Darin wurde sie geradezu wild, sie brüllte und rannte auf allen vieren durch die Räume.

Natürlich verlangten die anderen Kinder nun auch Tigerkostüme und quengelten: »Warum darf Pelagia eins haben?«

Die Kindergärtnerin rümpfte die Nase und sagte kalt: »Weil Pelagia in die Hose gepinkelt hat.«

Die Kinder hüpften um die Kindergärtnerin herum. »Darf man ein Tigerkostüm haben, wenn man in die Hose pisst?«

Die Kindergärtnerin rümpfte noch mehr die Nase - ernsthafte Gefahr bestand freilich nicht, denn in die Hose zu pinkeln galt im Kodex der Kinder als so peinlich, dass eine Masseneinnässung nicht zu befürchten war - und sagte: »Wenn man seine Kleider nass macht, bekommt man irgendwelche Ersatzkleider.«

»Irgendwelche? Darf man dann das Tigerkostüm haben?«

»Das kommt darauf an.«

»Worauf?«

»Es kommt eben darauf an.«

Diese Unbestimmtheit frustrierte die Kinder bis zur Raserei.

»WORAUF? Sag, worauf es ankommt! WORAUF?!«, schrien sie, bis sie schließlich unzufrieden resignierten.

Niemand wollte mit Pelagia spielen, aber Pelagia war das egal, sie hatte als Tiger auch alleine ihren Spaß.

 

Silmu ging seine Schwester abholen, im guten Trainingsanzug und in forschem Tempo. Ihm taten die Muskeln weh vom Fitnessstudio, aber beim Gehen wurden sie locker, und er hatte bereits das Gefühl, besser auszusehen. Der Mund bildete einen sympathischen, lächelnden Bogen auf seinem Gesicht, als er das Tor zum Kindergartengelände aufmachte.

»Was willst du hier?«, fragte ein Kragen-Krawatten-Vater, der so selten seinen genetischen Output abholen kam, dass er ein bisschen zu viel Eifer an den Tag legte. Dazu schien aufmunternd die Sonne, und er befand sich in vitaler Herdenführerlaune.

»Meine kleine Schwester abholen«, sagte Silmu.

»Lass hier bloß keine Drogenspritzen rumliegen, du.«

»Was?«

»Im Sandkasten von der Kita Pfötchen sind welche gefunden worden. Aber hier kommen mir die nicht hin«, sagte der Vater in einem Ton, mit dem man eine Heeresabteilung kommandierte oder Praktikanten in die Knie zwang. Seine Gattin stand daneben und lebte sich in die wunderbare Rolle der Frau des Höhlenmenschen hinein. Ihr Blick schoss ängstlich und bewundernd, aber irgendwie tapfer zwischen ihrem Mann und Silmu hin und her. Die Welt war hart, es war eine Welt brutaler Männer und Raubtiere, wo auch kleine Frauen bedroht waren. Doch wenn es eng wurde: Ihr Mann war stark.

»Was?«, fragte Silmu. »Was r