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Das Mädchen im blauen Mantel

Nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2019 | Monica Hesse

E-Book (EPUB)
2018 cbj; Curtis Brown, US
384 Seiten; ab 12 Jahre
ISBN: 978-3-641-16807-0

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Kurztext / Annotation
Schuld und Verrat, Mut und Widerstand
Amsterdam ist von den Nazis besetzt. Hanneke trauert dort um ihren Freund, der an der Front gefallen ist. Als kleinen Akt der Rebellion gegen die Deutschen beschafft sie Schwarzmarktgüter. So hält sie sich und ihre Eltern über Wasser. Doch eines Tages erhält sie einen sehr ungewöhnlichen Auftrag: Sie soll ein jüdisches Mädchen finden, das aus einem Geheimversteck verschwunden ist. Auf der Suche nach diesem Mädchen gerät Hanneke in ein Netz aus Lügen, Rätseln und Geheimnissen.

Die vielfach ausgezeichnete Bestsellerautorin Monica Hesse stammt aus Illinois und ist außerdem Journalistin bei der Washington Post. Sie lebt mit ihrem Mann und einem verrückten Hund in Washington. »Das Mädchen im blauen Mantel«, ihr erster Roman, der auf Deutsch erschien, stand auf der New-York-Times-Bestsellerliste und erhielt zahlreiche Preise, darunter den renommierten Edgar Award in der Kategorie »Junge Erwachsene«, und wurde von der Jugendjury für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2019 nominiert.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

KAPITEL 1
Dienstag

»Hallo, Kleine. Was hast du da? Ist das für mich?«

Ich halte an, weil der Soldat ein junges, hübsches Gesicht hat und weil in seiner Stimme ein Zwinkern mitschwingt und weil er mich garantiert zum Lachen brächte, würden wir nachmittags im Kino sitzen.

Das ist gelogen.

Ich halte an, weil der Soldat ein nützlicher Kontakt sein könnte, weil er vielleicht Dinge beschaffen kann, die nicht mehr zu kriegen sind, weil er garantiert haufenweise köstliche Schokoladentafeln und Strümpfe ohne Laufmaschen zu Hause hat.

Auch das ist nicht die Wahrheit.

Aber manchmal ist mir die Wahrheit egal, weil ich mir dann leichter einbilden kann, ich würde aus Vernunftgründen entscheiden. Weil ich mir dann leichter einbilden kann, ich hätte die Freiheit, zu entscheiden.

Ich halte an, weil der Soldat eine grüne Uniform trägt. Nur deshalb halte ich an. Weil seine Uniform grün ist, und weil das bedeutet, dass ich gar keine andere Wahl habe.

»Das sind viele Päckchen für so ein hübsches Mädchen.«

Er spricht mit leichtem Akzent, aber ich bin überrascht, wie gut sein Niederländisch ist. Viele von der Grünen Polizei sprechen überhaupt kein Niederländisch und ärgern sich, wenn wir kein Deutsch verstehen. Als hätten wir nichts Besseres zu tun gehabt, als uns unser ganzes Leben lang auf den Tag vorzubereiten, an dem sie unser Land besetzen würden.

Ich halte an, steige aber nicht vom Rad. »Die Anzahl der Päckchen stimmt genau.«

»Was hast du da drin?« Er beugt sich über die Lenkstange und wühlt seelenruhig in dem Korb, der daran befestigt ist.

»Sie wollen sie sehen? Sie wollen alle Päckchen aufmachen?«

Ich kichere und schlage meine Augen nieder, damit er nicht sieht, wie viel Routine in meiner Entgegnung steckt. Mein Kleid ist über die Knie gerutscht. Der Soldat bemerkt es. Das Kleid ist marineblau und sitzt viel zu eng und der Saum ist ausgefranst, es ist uralt, aus der Zeit vor dem Krieg. Ich verlagere ein wenig das Gewicht, der Saum rutscht noch höher, bis halb über meine Schenkel, die von einer Gänsehaut überzogen sind.

Die Begegnung wäre mir unangenehmer, wenn er älter wäre, wenn er Falten hätte oder schlechte Zähne oder einen Hängebauch. Es wäre unangenehmer, aber ich würde ebenso mit ihm flirten. Ich habe das schon unzählige Male gemacht.

Er beugt sich weiter vor. Hinter ihm liegt die trübe, nach Fisch stinkende Herrengracht. Ich könnte ihn in den Kanal stoßen und auf meinem klapperigen Gebrauchtfahrrad davonfahren und wäre schon halb zu Hause, bevor er wieder herausgekraxelt wäre. Ich mache ein Spiel daraus, mir so etwas auszumalen, wenn ich von einem Grünen Polizisten angehalten werde. Wie kann ich dich bestrafen, und wie weit komme ich, bevor du mich kriegst?

»Das hier ist ein Buch für meine Mutter.« Ich zeige auf ein in Zeitungspapier gewickeltes Päckchen. »Und das sind die Kartoffeln fürs Abendessen. Und das ist der Pullover, den ich vom Flicken geholt habe.«

»Hoe heet je?« Er will wissen, wie ich heiße, und er fragt es auf eine lässige, beiläufige Art - so wie ein junger Draufgänger auf einem Fest ein unerfahrenes Mädchen ansprechen würde. Das ist gut, denn es ist besser, er interessiert sich für mich als für die Päckchen in meinem Fahrradkorb.

»Hanneke Bakker.« Ich würde ihn lieber anlügen, aber da wir jetzt alle Ausweispapiere dabeihaben müssen, wäre das zwecklos. »Und wie heißen Sie, Soldat?«

Er reckt seine Brust, als ich ihn mit »Soldat« anspreche. Die Jungen unter ihnen sind noch verliebt in ihre Uniform. Ein Goldkettchen blitzt an seinem Hals auf.

»Und was haben Sie da für einen Anhänger?«, frage ich.

Sein Lächeln stockt, und er greift hastig an die Kette, die von seinem Kragen halb verdeckt wird. An der Kette hängt ein goldenes, herzförmiges Medaillon. Wahrscheinlich mit der Fotografie eines rotback