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Bonaparte

1769-1802 | Patrice Gueniffey

E-Book (EPUB)
2017 Suhrkamp Verlag
Auflage: 1. Auflage
1296 Seiten
ISBN: 978-3-518-75208-1

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€ 49,99

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Kurztext / Annotation

An Biographien über Napoléon herrscht kein Mangel. Die neue umfangreiche Schilderung seines Lebens von Patrice Gueniffey unterscheidet sich fundamental von den bisherigen Darstellungen.

Sie rückt Bonaparte in den Zusammenhang der Moderne. Für Gueniffey ist diese historische Gestalt beispielhaft für die Neuzeit: Er repräsentiert jenen Typus, der seiner Meinung nach selbst die widrigsten Umstände bezwingen kann, vorausgesetzt, er hat die entsprechende Begabung, Energie und Tatkraft. Diese Vorstellung des modernen Menschen ist, wie diese Biographie für Bonaparte belegt, mit den historischen Gegebenheiten nicht vereinbar: Sie deckt hinter den Intention von Bonaparte die Selbstlogik unabhängiger Prozesse wie die Initiierung solcher angeblich historischen Abläufe die Spuren subjektiven Handelns auf.

Bonaparte zeigte sich in relativ kurzer Zeit in vielen, voneinander abweichenden, Rollen: er war unter anderem korsischer Patriot, (während der Französischen Revolution) Verfechter des Jakobinismus, Thermidorianer, ein »Feldherr«, er war Diplomat, Schöpfer eines neuen Rechts, republikanischer Diktator, Begründer einer Erbmonarchie: Die vorliegende Biographie widmet sich in aller Ausführlichkeit und Genauigkeit diesen Positionen: von der des jungen Napoléon bis zur Selbstermächtigung als Konsul auf Lebenszeit im Jahre 1802. Damit macht Patrice Gueniffey, verständlich, unterhaltsam, anhand neuer Forschungsergebnisse und überraschender Einblicke und Synthesen, nachvollziehbar, warum Bonaparte zu Napoléon wurde.

Patrice Gueniffey ist Historiker und arbeitet am Pariser L’École des Hautes Études en Sciences Sociales.



Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Einführung

An jenem Tag im Jahr 1816 sprach Napoleon lange mit Las Cases über die Politik Englands und seine Heirat mit Marie-Louise. Plötzlich verstummte er und, als hätte er die Anwesenheit seines Gesprächspartners vergessen, stützte den Kopf in die Hand. Nach einer Weile richtete er sich auf und sagte: »Was für ein Roman doch mein Leben ist!«[1]1 Ein berühmter, oft zitierter Satz - und sehr zutreffend. Doch so romanhaft Napoleons Leben auch war, es scheint sich noch mehr für die Musik zu eignen. Als der Autor von Clockwork Orange, Anthony Burgess, einen Roman über Napoleon zu schreiben beschloss, gab er ihm den Titel Napoleonsymphonie2 und teilte den Roman sogar entsprechend den Sätzen jener Sinfonie auf, die Beethoven Buonaparte genannt hatte, bevor er sie später nach langem Zögern in Sinfonia eroica per festeggiare il sovvenire di un gran Uomo umbenannte.3 Die Spielanweisung zu Beginn des ersten Satzes gibt das Tempo dieses außergewöhnlichen Schicksals vor: Allegro con brio.

Manch einer wundert sich über die Vielzahl - das ist noch euphemistisch ausgedrückt - von Werken über Napoleon: Es sind mehrere Zehntausend, und die Liste wird jeden Tag länger. Doch man sollte sich eher über diese Verwunderung wundern, denn nie gab es in so kurzer Zeit eine solche Fülle unerhörter Ereignisse, gigantischer Umwälzungen und gewaltiger Erschütterungen, und vielleicht wird es dies auch nie wieder geben. Nur ein Vierteljahrhundert trennt den Beginn der Französischen Revolution - durch die Napoleon möglich und vielleicht sogar notwendig wurde, wie Nietzsche sagte4 - vom Ende des Kaiserreichs. Vom Zusammentreten der Generalstände bis zur Abdankung des Kaisers schreitet die Geschichte nicht voran, sie rennt. Napoleon durchquert sie wie ein Meteor: Zwischen seinem ersten Auftritt 1793 und dem 18. Brumaire liegen nur sechs Jahre, drei zwischen der Eroberung der Macht und der Proklamation des Konsulats auf Lebenszeit, zwei zwischen dieser und dem Beginn des Kaiserreichs.

Jacques Bainville schreibt:

Knapp zehn Jahre später kehrt Ludwig XVIII. zurück. [...] Zehn Jahre, und dabei sind kaum zehn Jahre verstrichen, seit er aus der Dunkelheit auftauchte, nicht mehr als zehn Jahre, und schon ist alles zu Ende! [...] Mit fünfundzwanzig Jahren noch ein kleiner Offizier, ist er mit fünfunddreißig wie durch ein Wunder Kaiser geworden. Die Zeit packt ihn an den Schultern und schiebt ihn vor sich her. Doch seine Tage sind gezählt. Schnell wie im Traum schwinden sie dahin, ausgefüllte Tage, fast ohne Ruhepausen, gleichsam begierig, rascher bei der Katastrophe anzulangen, und so voller grandioser Ereignisse, dass die eigentlich nur kurze Herrschaft ein Jahrhundert gedauert zu haben scheint.5

In dieser kurzen Zeitspanne hat Napoleon alle Rollen gespielt: die eines korsischen Patrioten, eines jakobinischen Revolutionärs (aber nicht allzu sehr), eines gemäßigten Republikaners (nicht lange), eines Thermidorianers (zugleich verteidigte er die Erinnerung an Robespierre), die Rolle eines Eroberers, Diplomaten, Gesetzgebers, »Held, Imperator, Mäzen«,6 eines republikanischen Diktators, Erbsouveräns, Königsmachers und -stürzers und 1815 sogar die eines konstitutionellen Monarchen (sofern man die während der Hundert Tage geschaffenen Institutionen ernst nimmt). Es liegt etwas Taschenspielerisches, auch Fregolihaftes darin. Je nach den Umständen wechselte er nicht nur die Rolle und das Kostüm, sondern auch den Namen, ja das Aussehen. Zunächst hatte er einen merkwürdigen Vornamen, dessen Schreibung und Aussprache zumindest unsicher waren: Nabulion, Napolione, Napoléon, Napulion? Wie auch immer, er entschied sich bald für seinen Familiennamen, den er