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Knife

Roman | Salman Rushdie

E-Book (EPUB)
2024 Penguin Verlag; Random House, New York 2024
256 Seiten
ISBN: 978-3-641-31338-8

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€ 21,99

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Kurztext / Annotation
Das Weltereignis: Salman Rushdie erzählt die Geschichte des Attentats auf ihn und schafft daraus große Literatur
Im August 2022 wird Salman Rushdie während einer Lesung auf offener Bühne mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt. Mehr als dreißig Jahre nachdem das iranische Regime wegen seines Romans »Die satanischen Verse« eine Fatwa gegen ihn ausgesprochen hat, holt ihn die Bedrohung ein. Salman Rushdie überlebt den Anschlag und hält seinem Angreifer das schärfste Schwert entgegen: Er verarbeitet diese unvorstellbare Tat, die die ganze Welt in Atem hielt, zu einer Geschichte über Angst, Dankbarkeit und den Kampf für Freiheit und Selbstbestimmung.

»Knife« ist Salman Rushdies persönlichstes Werk, dringlich und unerschütterlich ehrlich. Eine lebensbejahende Hymne an die Macht der Literatur, dem Undenkbaren einen Sinn zu geben.

Salman Rushdie, 1947 in Bombay geboren, ging mit vierzehn Jahren nach England und studierte später in Cambridge Geschichte. Mit seinem Roman »Mitternachtskinder«, für den er den Booker Prize erhielt, wurde er weltberühmt. 1996 wurde ihm der Aristeion-Literaturpreis der EU für sein Gesamtwerk zuerkannt. 2007 schlug ihn Königin Elizabeth II. zum Ritter. 2022 ernannte ihn das deutsche PEN-Zentrum zum Ehrenmitglied. 2023 wurde er mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet.



Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

1
Messer

Am 12. August 2022, einem sonnigen Freitagmorgen um Viertel vor elf, wurde ich von einem jungen Mann mit einem Messer angegriffen und beinahe getötet, nachdem ich gerade die Bühne des Amphitheaters in Chautauqua betreten hatte, um darüber zu reden, wie wichtig es ist, sich für die Sicherheit von Schriftstellerinnen und Schriftstellern einzusetzen.

Ich trat zusammen mit Henry Reese auf, der mit seiner Frau Diane Samuels das Pittsburgher Projekt City of Asylum gegründet hatte und dank dieser Stadt des Asyls eine Zuflucht für mehrere Autoren schaffen konnte, deren Leben in ihrem eigenen Land gefährdet war. In der Geschichte, die Henry und ich in Chautauqua erzählen wollten, sollte es um Folgendes gehen: die Gründung sicherer Orte in Amerika für Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus fremden Ländern und meine Beteiligung an den Anfängen dieses Projekts. Unser Auftritt war Teil einer Veranstaltungswoche der Chautauqua Institution zum Thema: »Mehr als nur eine Zuflucht: Amerikas Haus und Heimat, eine Neubestimmung«.

Zu unserem Gespräch ist es nie gekommen. Wie ich schon bald herausfinden sollte, war das Amphitheater an diesem Tag kein sicherer Ort für mich.

Dieser Moment läuft noch immer wie in Zeitlupe vor mir ab. Mein Blick folgt dem Mann, der im Publikum aufspringt, losrennt und rasch näher kommt. Ich beobachte jeden einzelnen Schritt seines ungestümen Laufs, und ich sehe, wie ich mich aufrichte und zu ihm umdrehe. (Ich bleibe ihm zugewandt. Ich habe ihm nie den Rücken zugekehrt. Mein Rücken weist keine Verletzungen auf.) Um mich zu schützen, hebe ich die linke Hand. Er stößt das Messer hinein.

Danach folgen noch viele Stiche - in meinen Nacken, meine Brust, in mein Auge, überallhin. Ich spüre, wie meine Beine nachgeben, und ich falle.

*

Donnerstag, der 11. August, war mein letzter unbeschwerter Abend. Sorglos spazierten Henry, Diane und ich durch die Anlagen der Chautauqua Institution zu einem angenehmen Abendessen im 2 Ames, einem Restaurant am Rand eines grünen Parks genannt Bestor Plaza. Wir erinnerten uns an die Rede, die ich achtzehn Jahre zuvor in Pittsburgh über meine Rolle bei der Gründung des internationalen Netzwerks Cities of Refuge gehalten hatte. Henry und Diane hatten meine Rede gehört und wurden durch sie inspiriert, auch in Pittsburgh eine Stadt des Asyls zu schaffen. Sie begannen damit, ein kleines Haus zu finanzieren und Huang Xiang zu sponsern, einen chinesischen Dichter, der die Außenmauern seiner neuen Unterkunft unübersehbar mit einem Gedicht in großen weißen chinesischen Lettern bemalte. Nach und nach erweiterten Henry und Diane ihr Projekt, bis es schließlich eine ganze Straße mit Häusern des Asyls gab, den Sampsonia Way im Norden der Stadt. Ich freute mich darauf, in Chautauqua mit ihnen ihren Erfolg feiern zu können.

Dass sich der Mann, der mich töten wollte, bereits auf dem Gelände der Chautauqua Institution befand, konnte ich nicht wissen. Er hatte sich mit einem gefälschten Ausweis Zutritt verschafft, sein Deckname eine Zusammensetzung der Namen einiger bekannter Schia-Islamisten; und bereits während wir zum Abendessen und später zurück zum Gästehaus gingen, in dem wir übernachteten, war er auch da, irgendwo, bereits seit mehreren Nächten, streifte durch die Anlage, schlief im Freien, erkundete den Tatort für den geplanten Angriff, schmiedete Pläne und blieb von Sicherheitspersonal und Überwachungskameras unbemerkt. Wir hätten ihm jederzeit zufällig über den Weg laufen können.

In diesem Bericht will ich seinen Namen nicht nennen. Mein Angreifer, mein Attentäter, der Affenblöde, der Annahmen über mich machte, mit dem ich ein beinahe tödliches Aufeinandertreffen hatte ... Ich ertappe mich dabei, dass ich ihn in Gedanken, man möge es mir nachsehen, nur »Arschloch« nenne. Im Rahmen dieses Textes aber soll er schicklicherweise »A.«